Ein Tag im Leben

Timea Bacsinszky: Alles mit der linken Hand

Eigentlich bin ich ja immer die Erste, die aus dem Bett steigt. Aber jetzt ist mein Freund meistens früher dran: Er studiert Sportmanagement an der Uni Lausanne und muss rechtzeitig in der Vorlesung sitzen, während mein Tag etwas weniger durchgeplant ist. Das ist so wegen der Verletzung, vor einigen Wochen habe ich mich an der rechten Hand operieren lassen. Fünf Monate lang hatte ich Probleme mit einer Sehne, deshalb musste ich alle Turniere absagen. Aber auch wenn ich es etwas ruhiger nehmen könnte – ich halte es nicht lange alleine aus im Bett. Deshalb stehe ich auf und mache mir einen Latte Macchiato, mit Magermilch und einem Löffel Bio-Honig. Das ist mein Lieblingsgetränk, und weil ich morgens nicht viel essen kann, mache ich mir meistens gleich zwei Tassen davon. Dann setze ich mich hin und gehe auf Twitter. Das tönt jetzt vielleicht blöd, aber Twitter ist für mich die wichtigste Informationsquelle, so lese ich News und halte mich à jour. Danach dusche ich und mache mich bereit für den Tag. Das dauert im Moment etwa drei Mal länger als sonst, ich veranstalte oft ein schreckliches Chaos, bevor ich aus dem Haus gehe. Haare waschen, schminken oder Nägel lackieren, alles mit der linken Hand – man kann sich ja vorstellen, wie das aussieht!

Später, im Training, kommt diese Hand wieder zum Einsatz: Ich spiele 15 Minuten lang Tennis mit links, fürs Gefühl. Danach trainiere ich Kraft, Schnelligkeit und Koordination, bevor ich auf den Tennisplatz zurückkehre, um Beinbewegungen zu üben. Insgesamt trainiere ich im Moment anderthalb bis drei Stunden, aber nicht jeden Tag. Herauszufinden, wie viel Training der Körper während einer Verletzung erträgt, ist nicht einfach. Man muss aufpassen, dass man nicht überbelastet. Mich zu bremsen, fällt mir manchmal schwer: Es tut weh, dass ich nicht einmal einen Bruchteil von dem leisten darf, was ich eigentlich könnte.

Nach dem Training gehe ich nach Hause und koche Mittagessen. Seit der Operation ernähre ich mich sehr bewusst. Mein Freund und ich machen ein Experiment: Wir essen keine Teigwaren mehr, kein Brot, benutzen kaum Milchprodukte. Dafür Quinoa, Linsen, Gemüse, Poulet. Höchstens am Wochenende, wenn wir einen Cheat Day haben, gibt es einmal eine Pizza. Ich fühle mich mega gut dabei, ich habe unglaublich viel Energie.

Das letzte halbe Jahr gab mir generell viel Kraft, die Zeit zu Hause hat mir gut getan. Ich habe Ausflüge mit meiner Familie gemacht, Psychologie-Bücher gelesen, Freundinnen und Freunde zum Kaffee getroffen. Alles Dinge, die in meinem Leben sonst kaum Platz haben. Vom Tennis habe ich mich ziemlich abgekapselt. Ich schaute zwar Chiudinelli bei seinem letzten Match zu oder verfolgte Belindas Comeback. Und Vicky hat mich angerufen, als sie in Lienz gegen eine Spielerin antrat, gegen die ich schon einmal gespielt habe. Aber sonst war die Tenniswelt weit weg. Ich weiss nicht einmal, wo ich im Ranking liege im Moment, es ist mir auch egal. Es dauerte etwas, bis das so war, am Anfang kannst du nicht abschalten, wenn du verletzt bist. Du musst immer wissen, was die anderen gerade machen, wo sie sind und wie sie spielen. Dann kommt der Moment, da atmest du plötzlich wieder. Du merkst: Du hast eine Familie, einen Freund, es geht nicht immer alles nur um dich.

Meine Abende sind meistens nicht sehr fancy. Ich bin mit meinem Freund zu Hause, wir schauen Serien oder einen Film, manchmal treffen wir Freundinnen und Freunde. Zwischen 22 und 23 Uhr bin ich meistens im Bett. Bevor ich einschlafe, gibt es noch etwas Handy-Zeit – et voilà, c’est fini.

Protokoll: Ursina Haller

Wahrheit No. 4: Verkehrssünden

Ursina Haller – Jahrelang hatte ich ich mich vor diesem Moment gefürchtet. Dann war er plötzlich da: Ich stand auf dem Parkplatz eines Autohändlers und strich meinem Liebling ein letztes Mal über die Haube. Ich verinnerlichte das Gefühl des warmen Stahls unter den Fingern und atmete tief ein. Dann lief ich los in Richtung Bahnhof und schaute nicht zurück. Denn ich wusste: Das, was da funkelnd in der Frühlingssonne stand, wird mir mit grosser Wahrscheinlichkeit nie wieder gehören.

Am Bahnhof schnürte es mir die Kehle zu. Ich musste den Fahrplan studieren, um nach Hause zu kommen. Eine Fahrkarte kaufen. Am Perron warten, mit all den anderen Reisenden. Ein halbes Jahrzehnt lang war mir das erspart geblieben. Öffentliche Verkehrsmittel – als Sportlerin brauchte ich das nicht.

Wenn ich zum Training oder an Wettkämpfe fuhr, sass ich in einem Cockpit, gepolstert mit feinstem Leder. Eine Stimme in bester Tonqualität wies mir den Weg, auch beim Einparken half sie. Wenn ich wollte, war ich schneller als alle anderen auf der Strasse, ein leichter Stoss am Gaspedal reichte. Und wenn ich im Stau stand, klopften manchmal Unbekannte ans Fenster – wohl in der Hoffnung, im mit Schweizerkreuzen zugepflasterten Auto sitze Lara Gut. So oder so – auch mir wünschte man viel Glück für die nächsten Wettkämpfe.

Das alles gefiel mir. So gut, dass ich selten ohne Auto unterwegs war. Ob zur Physiotherapie, zum Brunch mit Freund_innen oder zur Uniprüfung – ich fuhr bei jeder Gelegenheit im Wagen vor. Nicht ganz ohne Stolz; den Komfort musste ich mir schliesslich verdienen, Saison für Saison. Nur Wintersportler_innen, die in ihrer Disziplin zur Weltspitze gehören, dürfen sich nach der Saison ein Auto vom Verbandssponsor aussuchen und es ein Jahr lang fahren. Wer keine Top-Resultate liefert, erhält keine neuen Schlüssel.

Dasselbe gilt, wenn Sportler_innen zurücktreten. Wenige Wochen nach meinem Abschied vom Wettkampfsport erhielt ich eine Mail: Man müsse das Auto zurückhaben. Ich hatte rund sechs Wochen Zeit, um mich damit abzufinden, dass mein 100’000-Franken-Auto von einem Halbtax abgelöst wird.

Als ich dann zum ersten Mal im Zug sass, war alles halb so schlimm. Ich merkte, wie gut es mir und der Umwelt tut, wenn ich mit meinem Stolz nicht die Luft verpeste. Ich fand heraus, wie toll es ist, im Zug Unbekannte zu beobachten. Und vor allem erfüllte es mich mit einer angenehmen Ruhe, dass das Billett in meinem Portemonnaie mir gehört – für immer.

Plan B

Heute mit: Benjamin Steffen
Die Schönheit des Spiels, der Lauf des Lebens

Bänz Friedli hat letzte Woche geschrieben, wir müssten aufpassen, dass uns das Erzählen nicht abhandenkommt.

Also. Hier. Die Geschichte eines quasi kurzen Lebens.

Im Sommer 1986 fand die Fussball-WM in Mexiko statt, er war ein mittelgrosser Bub, und wenn abends Spiele kamen im Fernsehen, durfte er bis zur Pause wach bleiben und Fussball gucken – einmal aber, einmal!, hätte er bis zum Ende schauen dürfen, an einem Samstag, Frankreich – Brasilien, aber nach der ersten Halbzeit langweilte er sich, 1:1, er war müde, ging zu Bett.

Und als er am nächsten Tag hörte, was er verpasst hatte, wie aus dieser Partie ein episches Spiel geworden war, Verlängerung und Penaltyschiessen, Socrates verschossen und Michel Platini ebenso – da schwor er sich, dass er kein Fussball-WM-Spiel mehr freiwillig verpassen würde, ein Leben lang.

Vier Jahre später, wieder eine WM, er spielte selber gerne Fussball, als Torhüter, er hatte es also nicht einfach, «der Goalie bin ig», dachte er sich, zudem half er als einziges Kind seiner Klasse den Deutschen. Aber in schwierigen Momenten sagte ihm seine Mutter, er solle zuerst etwas Anständiges essen, dann sehe die Welt wieder ganz anders aus.

Und so zogen Jahre und Weltmeisterschaften und Joseph Blatter als Fifa-Präsident ins Land, 1994 erlebte der junge Mann erstmals, wie es ist, während eines WM-Spiels vor dem Fernsehen einzuschlafen (Rumänien – Argentinien), im Sommer 1998 sass er mit gerissenen Bändern vor dem TV (nach einem Stürmerfoul), er sah und las und ass und wusste viel, vor allem: dass er Sportjournalist werden und von einer Fussball-WM berichten wollte. Diesem Ziel war fortan alles untergeordnet, Karriere- und Ernährungsplan, er schrieb, wann immer es ging, und wenn es nicht mehr ging, ass er etwas. So auch 2002, die WM weit weg (Japan und Südkorea), der Traum immer näher.

2006: die Erfüllung, die WM als Berichterstatter, alles wunderbar, Dutzende von Texten, Hunderte von Süssigkeiten, die Welt immer wieder anders, Tausende von Zeilen, am Puls, na ja, mehr oder weniger, denn er merkte: wenn dir die Spieler gegenübersitzen, sind sie dir nicht mehr so nahe, wie wenn sie im Fernsehen reden. Zudem: Schweiz – Ukraine… irgendwie wie Frankreich – Brasilien 1986 in der ersten Halbzeit, bloss länger und keine Tore.

2010: Er hatte jetzt einen jungen Hund, der tollte und sprang und jaulte, aber es war WM in Südafrika, und der junge Mann wusste, dass er so lange in Südafrika wäre, wie die Schweizer im Turnier blieben, im ersten Spiel besiegten sie Spanien 1:0, alle sangen: olé, olé, er dachte: o weh.

2014: Er hatte jetzt einen eigenen Garten, in dem Him- und Erd- und Brom- und Johannisbeeren wuchsen und der Hund sich vergnügte, es gab Äpfel, Quitten und Birnen an Bäumen und Kaninchen im Käfig und eigenen Salat aus den schönen Beeten, Zucchetti und Radieschen – und die WM fand in Brasilien statt, in der bezaubernden Wiege des Fussballs, und er fragte sich: Will ich das?

Und drei Jahre später spielten die Schweizer in der Barrage gegen Nordirland, und der Mann wusste: Wenn sich die Schweizer für die WM 2018 qualifizieren, wäre wieder der Teufel los, Schweiz, Schweiz, hurra, Russland, wir kommen. Er war nicht nach Nordirland gereist, und bevor am 9. November das Hinspiel in Belfast losging, legte er sich zu Bett und nahm sich vor, am nächsten Morgen ganz, ganz lange nicht wissen zu wollen, wie das Spiel geendet hatte.

Hier schreiben abwechselnd Bruno Ziauddin, Benno Maggi, Bänz Friedli und Benjamin Steffen.

Zwei Wochen im Leben

Mujinga Kambundji: Ferien im Senegal

Es gibt zwei Phasen im Jahr, in denen ich Ferien machen kann. Die erste ist kaum der Rede wert. Nach der Indoor-Saison im Frühling habe ich eine knappe Woche frei, und die geht für Termine drauf, für die sonst keine Zeit ist: Sponsorenauftritte, Fotoshootings, Arztvisiten. Die zweite Pause dauert länger, im Herbst nach der Outdoor-Saison fünf bis sechs Wochen. Soeben ist sie zu Ende gegangen, wie immer viel zu schnell. Es war nicht so, dass sie aus purem Nichtstun bestanden hätte, irgendwas ist immer, mit der Schule, dem Verein, und dann will ich ja all meine Freundinnen und Freunde mal wieder richtig sehen.

Aber vierzehn Tage lang war ich weg, so richtig. Eine Kollegin wollte in Dakar, der Hauptstadt des Senegal, ihre Familie besuchen, zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ein paar anderen Leuten. Und ich, ich ging einfach mit. Wir waren eine Gruppe von sieben Leuten und nahmen es recht gemütlich. Wir badeten und lagen am Strand, spielten Karten und schliefen aus. Wir versuchten uns im Surfen, was mega lustig war, und schlenderten über die Märkte. Und einmal machten wir einen Ausflug zum Lac Rose, einem Salzsee, der aus der Ferne rosarot schimmert. Das Wasser war so warm wie in einer Badewanne, und wegen des hohen Salzgehalts blieb man oben, ohne viel dafür zu tun. Ach ja, einmal haben wir uns Zöpfe in die Haare flechten lassen, einen ganzen Tag lang, das war auch lustig. An den Abenden gingen wir essen oder in den Ausgang. Oder wir blieben auf unseren Zimmern und redeten.

Vor dieser Reise war ich erst zweimal in Afrika gewesen, beide Male für ein Trainingslager. 2013 in Sambia, 2014 in Südafrika. Wenn man mit dem Team unterwegs ist und sich nur zwischen Hotel und Trainingsanlage bewegt, lebt man wie in einem Kokon. Das war diesmal anders. Ich mochte die Kleider der Senegalesinnen und genoss es, dass die Strassen bis tief in die Nacht hinein voller Leute waren. Mir gefiel, wie die Kinder zueinander schauten, wie sich Geschwister gegenseitig an der Hand nahmen und sich nicht mehr losliessen.

Man sieht viel Armut im Senegal, aber man sieht auch viel Glück.

Mein Vater stammt aus dem Kongo. das liegt ziemlich weit südwestlich vom Senegal. Er hat früh seine Eltern verloren und wurde von Familie zu Familie gereicht. Er hat nie viel von damals erzählt, aber aus dem wenigen, das ich weiss, schliesse ich, dass sein Leben nicht immer einfach war. Seit er in der Schweiz ist, sind er und meine Mutter zweimal länger in seiner Heimat gewesen, aber das war noch, bevor sie uns hatten, mich und meine drei Schwestern. Danach fehlte viele Jahre lang das Geld. Und jetzt, da das Geld vielleicht nicht mehr so ein Problem wäre, fehlt immer irgendwie die Zeit.

Ich glaube, dass wir das noch nachholen werden. Während meinen Ferien im Senegal schrieb ich in den familieninternen Whatsapp-Chat: «Aaaaah! Jetzt müssen wir wirklich endlich in den Kongo gehen!» Schon klar: Der Senegal ist nicht Kongo. Trotzdem glaube ich, dass ich dem Kongo nie näher war.

Da fällt mir ein: Ich bin doch nicht nur herumgefläzt. Gegen Ende unseres Aufenthalts, als der Trainingsbeginn zu Hause immer näherrückte, ging ich manchmal am Strand Joggen. Also nicht wirklich Joggen, das mag ich ja überhaupt nicht, ich bin Sprinterin. Aber so Intervallläufe, in and out, eine halbe Minute voll, eine halbe Minute langsam. Ist recht anstrengend, man gerät ziemlich ausser Atem. Aber es hat den Vorteil, dass es nach einer halben Stunde vorüber ist und man doch etwas gemacht hat.

Protokoll: Christof Gertsch

Plan B

An der Wand hängen mächtige Souvenirs an ein ungefähres Einst.

Heute mit: Bänz Friedli
Erinnerung an den Sommerschnee

«Jetzt muass er denn öppa dr Yolo Flip uspacka!», mahnte Gian Simmen aus dem Off, wissend, dass Iouri Podladtchikov ohne den schwierigsten aller Sprünge keine Chance auf Olympiagold haben würde. Simmen, mehr Mitfieberer als TV-Kommentator, hatte sechzehn Jahre zuvor in Nagano selber Gold in der Halfpipe gewonnen. «Jetzt muass er denn öppa dr Yolo Flip uspacka!» Es klang mehr nach Wunsch denn nach Aufforderung, eher ängstlich als zuversichtlich. Podladtchikovs finaler Run an den Olympischen Spielen in Sotschi neigte sich dem Ende zu. Jetzt oder nie! Würde er ihn nicht gleich auspacken, den Yolo Flip, dann …

Mattscheibe. Im entscheidenden Moment versagte der Fernseher in unserer Bündner Ferienwohnung den Dienst. Jahre, vielleicht Jahrzehnte hatte ich kein Sportereignis mehr so herbeigesehnt, nicht mit solcher Hingabe verfolgt. Ewig hatte ich nicht mehr so mitgefühlt. Und jetzt: schwarz. Bildstörung. Zum Glück stand der Laptop auf dem Esstisch. Hurtig den Live-Stream angeklickt, vielleicht würde es reichen. Podladtchikov nimmt Anlauf zum letzten Sprung, schnellt der Kante entgegen. Und dann …

Es ist wirklich wahr, was ich Ihnen erzähle: Dann gab mein sauteures Powerbook für immer den Geist auf. Aus, Ende. Blackout. Iouri Podladtchikov muss in Sotschi längst am Jubeln gewesen sein, sich mit dem unterlegenen Freund und Erzkonkurrenten Shaun White in den Armen gelegen haben – und bei mir waren nacheinander zwei Geräte ausgestiegen, die mich am Triumph hätten teilhaben lassen sollen.

Was ich meinen Enkeln nicht alles erzählen werde!

Vom «Jahrhundertspiel» im Fussball, ich war ein Knirps von fünf Jahren, und im Aztekenstadion von Mexiko-Stadt rangen die Italiener in der Verlängerung des WM-Halbfinals Deutschland nieder: Burgnich, Facchetti, Mazzola, Rivera, Boninsegna. Noch immer kann ich die Namen der legendären Squadra von 1970 nennen. Obgleich ich den Match nicht verfolgte, wir hatten keinen Fernseher. Doch ich sehe es vor mir, wie Gianni Rivera in der 111. Minute das entscheidende 4:3 erzielte.

Von «Maite» Nadigs Fahrt zu Abfahrtsgold in Sapporo werde ich berichten. Eine Skisensation wars, 1972, ich ging in die erste Klasse – mir ist, als ob es gestern gewesen wäre.

1978 sah ich mein erstes Endspiel, Argentinien gegen Holland. Gut, «sehen» ist übertrieben: Knisterndes Schwarzweiss am SABA-Fernseher, den meine Eltern von den Aernis geschenkt bekommen hatten. Die hatten sich neu einen Farbfernseher geleistet! Auf unserem Schirm war das Geschehen in Buenos Aires nicht wirklich auszumachen. Es schneite.

Am SABA-Fernseher schneite es auch sommers.

Den Sieg «meiner» Azzurri an der Endrunde 1982, den endlich sah ich live und in Farbe. Und danach nie wieder, wenngleich jede einzelne Sequenz heute im Web abrufbar ist. Ich will sie nicht mehr sehen, Tardellis Torjubel kann in Wahrheit gar nicht so schön gewesen sein wie in meiner Erinnerung. Denn im Erzählen erst und im wieder und wieder Erzählen werden die grossen Ereignisse ganz gross. Wie oft habe ich den Kindern erzählt, wie Beat Breu 1982 die Bergankunft auf Alpe d’Huez gewann, weshalb ich dann zu spät zur Klavierstunde gekommen sei?

Und wie die Young Boys im Halbfinal des Meistercups 1959 Stade Reims schlugen! Zwar war ich noch nicht auf der Welt, aber ich weiss es. Es wurde mir erzählt von einem, der dabei war, Bernard. Er hat es mir oft und detailliert erzählt. Wenngleich er damals als Knirps im überfüllten Wankdorf vermutlich gar nichts mitbekam, mitten unter Stumpen rauchenden Männern, die ihm die Sicht versperrten. Egal, in Bernards Erzählung wird er lebendig, der grösste Sieg der Vereinsgeschichte.

Wir müssen aufpassen, in Zeiten von Youtube, dass uns das Erzählen nicht abhandenkommt. Womöglich werde ich den Enkelinnen und Enkeln auch erzählen, dass ich selber einst bei strömendem Regen im Pflotsch auf Platz 11 der Fussballanlage Hardhof den entscheidenden Elfmeter versenkte zum Sieg meines Teams in der Zürcher Alternativliga. Ich war nur zum Zug gekommen, weil die zehn anderen schon geschossen hatten und die Partie immer noch unentschieden stand. Keiner hätte mir, dem hüftsteifen Aussenverteidiger, das Vertrauen geschenkt, einen Penalty zu treten. Aber nun musste ich ihn treten. Und traf. Dass der gegnerische Torwart miserabel reagiert hatte und mein Schuss schwach und nicht besonders platziert gewesen war: Ich werde es verschweigen.

Aber von Iouri werde ich schwärmen, Iouri Podladtchikov. «Wisst ihr», werde ich den Enkelinnen und Enkeln erzählen, die Mira oder Nicolò oder Anna oder Birk heissen werden, «wisst ihr, das war mehr als Sport, was der gemacht hat. Es war Kunst. Wie er Linien in den Schnee zeichnete und Figuren in die Luft malte, ureigene Linien und Figuren, wie er gleichsam Bewegungen erzauberte und erschuf, die vor ihm niemand vollbracht hatte, das war … das war grosse Kunst und der schönste Sportmoment meines Lebens.»

Dass ich ihn verpasst habe wegen eines TV-Geräts und eines Computers, die kurz nacheinander ausstiegen: Davon werde ich vermutlich nichts sagen. «‹Jetz muass er denn öppa dr Yolo Flip uspacka …!›, hat der Kommentator gesagt – und dann … dann, Kinder, hat Iouri den Yolo Flip ausgepackt.»

Hier schreiben abwechselnd Bruno Ziauddin, Benno Maggi, Bänz Friedli und Benjamin Steffen.

Wahrheit No. 3: Selfie-Stress

Ursina Haller –Das Smartphone war mein wichtigster Gefährte während meiner Zeit als Sportlerin. Es war das Erste, das ich am Morgen sah. Schon während dem Frühstück belieferte es mich mit News, den ganzen Tag lang schaffte es zuverlässig Meldungen, Fotos, Musik herbei. Es war immer da, wenn ich niemanden zum Reden hatte. Und am Abend blinkte es mir noch einmal zu, bevor ich einschlief.

Aber jetzt einmal ehrlich: Es gab viele Episoden mit diesem Gerät, die alles andere als schön waren. Etwa diese: Ich stehe an einem Pistenrand in den Rocky Mountains, es sind Minus 20 Grad, meine tauben Finger umklammern den schwarzen Kasten. Schneekristalle perlen auf dem Bildschirm und auf der Haut. Ich zittere, das Telefon rutscht mir beinahe aus der Hand. Mühevoll halte ich es von mir weg, damit ich mich selber im Bildschirm sehe. Ich forme meinen Mund zu einem Lächeln, dann realisiere ich, dass die Masten der Bergbahn meinen Kopf umrahmen. Die Mundwinkel senken sich, ich muss mich anders positionieren. Ich drehe mich etwas, schaue wieder freundlich in die Kamera. Nun fährt mir hinten ein Skifahrer ums Ohr. Ich drehe mich wieder, so lange, bis hinter mir nur die Bergwelt zu sehen ist. Dann manövriere ich den steifen Finger auf den Auslöser. Klick! Ich schaue total entspannt in die Kamera.

Später sitze ich auf dem Sessellift und suche mit steifen Fingern das Bild aus, auf dem ich am besten aussehe. Ich wähle einen Filter, ändere ihn wieder. Tippe einen Satz ein, ändere ihn wieder. Ich markiere die Sponsoren. Als ich endlich auf «posten» tippe, sind meine Finger knallrot, und ich bin mit den Nerven fertig.

Wie ich mir in solchen Momenten die Zeit herbeisehnte, in denen es noch keine Mobiltelefone gab, kein Facebook, kein Instagram. Die Zeit, in denen Sportler_innen noch keine Social-Media-Manager sein mussten, sondern einfach ihrem Sport nachgehen konnten, ohne stets darüber zu berichten. Seit einigen Jahren sind die sozialen Medien neben Training und Wettkampf nämlich das Haupttätigkeitsfeld von Sportler_innen, ob sie wollen oder nicht. Nicht nur die sportliche Leistung, sondern auch die Reichweite und die Eloquenz in den sozialen Medien entscheiden darüber, ob Firmen einen als Werbeträger wählen. In Sponsoringverträgen steht geschrieben, wann und wie die Werbepartner_innen in Beiträgen zu erwähnen sind. Social-Media-Pläne, vorgegebene Hashtags, Kampagnen – das gehört heute zum Alltag.

Sportler_innen reisen nicht mehr alleine an einen Wettkampf oder in ein Trainingslager. Die Follower sind im Kopf immer dabei: Kommen Athlet_innen an einem neuen Ort an, scannen sie diesen sofort auf mögliche Sujets, mit denen sie ihre Fans beliefern können. Das kann verheerende Ausmasse annehmen. Die Social-Media-Ambitionen der Sportler_innen sollen einer der Gründe sein, weshalb Roger Federer jeweils nicht im olympischen Dorf wohnt. Athlet_innen belagern ihn an den Spielen offenbar dermassen für Selfies, dass er es schlicht nicht aushält.

Natürlich sind die sozialen Netzwerke auch eine Chance, gerade für Sportler_innen, die weit vom Bekanntheitsgrad eines Federers entfernt sind. Facebook, Instagram und Twitter bieten ihnen eine Plattform, dank der sie sich eine Fangemeinde aufbauen können. Und auch Sportler_innen, über die in den Medien berichtet wird, profitieren: Auf ihren Profilen können sie ihre eigene Sicht der Dinge darlegen und sich ein Image erschaffen, das unabhängig ist von der Berichterstattung durch Journalist_innen.

Apropos: Seit ich vom Spitzensport in die Medienbranche gewechselt habe, stelle ich fest, dass es sich dort ganz ähnlich verhält mit den sozialen Medien. Zwar habe ich keine Sponsoringverträge mehr, und Selfies sind etwas weniger gefragt. Aber wenn ich will, dass meine Beiträge gelesen werden, tue ich gut daran, sie in den sozialen Netzwerken zu teilen. Wie froh ich bin, dass ich jetzt nicht auf einem Sessellift sitze!

Nächste Woche schreibt Ursina über Wahrheit No. 4: Verkehrssünden.

Hier geht’s zu Wahrheit No. 2: Futtertrieb.

Der Sport-Podcast

Seit zwanzig Jahren kommentiert Stefan Bürer zusammen mit seinem Sidekick Heinz Günthardt die Spiele von Roger Federer. In der dritten Folge des No. 1-Sport-Podcasts spricht Mikael Krogerus mit Bürer über die hohe Kunst, Federers Spiel zu lesen, «Peak Nadal», Djokovics fehlende Authentizität und den Unterschied zwischen kommentieren und moderieren.

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Plan B

Heute mit: Benno Maggi
Defense first

Die sportliche Schweiz ist stolz auf ihre Jugendförderung, die immer wieder Toptalente hervorbringt. Und die wirtschaftliche Schweiz ist stolz auf ihre innovativen Hochschulen, insbesondere die ETH und die EPFL, die ambitionierte Startups hervorbringt. Schnell aber geraten sowohl Toptalente wie Startups ins Stocken. Weshalb? Weil Schweizer oder in der Schweiz aufgewachsene und arbeitende Sportler_innen und Jungunternehmer_innen sowie deren Financiers das Risiko scheuen. Anders gesagt: Sie denken «Defense first».

Gern rühmt man sich zwar dafür, dass man für so ein kleines Land beachtlich viele Grosskonzerne und Sport-Weltstars hervorbringt. Das stimmt, aber es ginge noch besser. In der Medals-per-Capita Rechnung (Anzahl Medaillen pro Einwohner_in) lag die Schweiz an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro auf Rang 24. Hinter Fiji, Bahrain und Grenada. Und an den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi auf Rang 7, aber hinter Slowenien, Lettland und Holland. Das müsste doch den Ehrgeiz anstacheln!

In der Wirtschaft steht die Schweiz schlecht da – insbesondere im Bereich Job Creation, der in Zukunft den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes darstellen wird. Während in den USA nicht nur die Giganten Amazon (Gründungsjahr 1994, Mitarbeitende 2016: 351’000), Google (1998, 72’053) und Facebook (2004, 17’048), sondern vor allem auch kleinere Startups an die drei Millionen neue Jobs kreierten, blieben Schweizer Startups meist in der Anfangsphase stecken. Dabei sind ETH und EPFL ähnlich erfolgreiche Brutstätten wie in den USA Stanford und Harvard. Aber die Schweizer ETH- und EPFL-Spinoffs kommen nach der ersten Finanzierungsrunde meist nicht mehr vom Fleck, weil Risikofreudigkeit und -kapital fehlen. Die Jungunternehmer_innen geben sich mit dem Erreichten zu früh zufrieden oder basteln solange an hundertprozentiger Qualität, bis die Konkurrenz sie überholt. Und die Financiers? Die investieren meist altes Geld aus ihren Family Offices, Trusts und Fonds und prahlen damit in Rotarier-, Rennweg- oder anderen Clubs, anstatt Managementsupport zu liefern. Und wenn ab der zweiten oder dritten Finanzierungsrunde für die Skalierung des Business richtig Kohle gefragt ist, bekommen sie kalte Füsse.

Ähnlich verhält es sich im Sport. Auch Sportler_innen werden nach der Devise «Defense first» geschult, gefördert und ausgebildet. Das heisst, wenn einer stürmen will, wird er zurückgepfiffen. So erstaunt es nicht, dass sowohl im Fussball wie im Eishockey – den beiden grössten Schweizer Exportsportarten – mehrheitlich Defensivspieler_innen den Sprung ins Ausland schaffen. Dort versauern sie meist und reifen nur selten zu Weltklasse, denn für diesen Schritt braucht es neben Geduld und Glück auch die Bereitschaft, Risiken einzugehen. So gibt man sich in der Schweiz zufrieden mit Listen unzähliger im Ausland tätiger Spitzensportler_innen, die man dann im Sportteil aber vergeblich in den Aufstellungen sucht – und stattdessen in Klammern lesen muss: (nicht im Aufgebot), (Ersatz), (verletzt).

Übersetzen wir das Phänomen ins Business:  Von 40’000 Firmengründungen pro Jahr sind 10’000 echte Startups (der Rest sind Tochterfirmen, Holdings, Ich-AG). Von diesen 10’000 sind 300 im High-Innovation-Bereich tätig, und von diesen 300 überleben nicht einmal die Hälfte das erste Geschäftsjahr, geschweige denn die zweite Finanzierungsrunde. Und kein Startup hat es in den  letzten 20 Jahren geschafft, die Tausendergrenze der FTE («full time equivalent», Vollzeitbeschäftigte) zu knacken. Trotz alledem ist die Schweiz stolz auf ihre Startup-Kultur und feiert den Anteil von 92.4 Prozent an Mikro- und Kleinunternehmen im Land (<10 Mitarbeiter).

Es ist ein bisschen wie in Schweizer Fussballklubs, die regelmässig in der Qualifikation zur Champions League (der Fortune 500 des Fussballs) scheitern: Gut gespielt und trotzdem verloren. Weil zu wenig mutig oder eben zu defensiv eingestellt.

Hier schreiben abwechselnd Bruno Ziauddin, Benno Maggi, Bänz Friedli und Benjamin Steffen.

Ein Tag im Leben

Andri Ragettli: Schule, Trainieren, Essen

Jeden Morgen um 6.30 Uhr klingelt mein Wecker im Sportinternat in Engelberg. Ich teile mir ein Doppelzimmer mit Kim Gubser, einem Freeskier wie mir. Um 7 Uhr gibt’s Frühstück in der Mensa. Meistens esse ich nur wenig. Etwas Müesli oder ein Brötli, eine Schoggi, Wasser. Ernährung spielt bei mir im Moment noch keine grosse Rolle. Gut, ich achte darauf, nicht ständig Chips zu essen, und trinke generell keine Süssgetränke.

Nach dem Frühstück gehe ich zurück auf mein Zimmer; die Schule beginnt um 7.30 und geht bis 11.30 Uhr. Dann haben wir Mittagspause. Um 12.20 Uhr essen wir in der Mensa – das Essen ist immer unterschiedlich und meistens okay. Dann passiert erstmal nichts, wir sind auf dem Zimmer. Um 13.30 Uhr beginnt das Training in der Halle. Wir sind 25 Sportlerinnen und Sportler – alles Snowboard oder Freeski. Trainiert wird in kleineren Gruppen: Zuerst Aufwärmen, dann Trampolinspringen fürs Luftgefühl, dann Skateboarden – wobei ich im Moment da ein wenig vorsichtig bin, ich möchte mir so kurz vor Beginn der Saison nichts verstauchen. Dann gehen wir auf den Airtrack, einen gefederten Boden, auf dem man gut herumspringen kann. Anschliessend machen wir Kraft- oder Ausdauertraining. Insgesamt trainiere ich täglich drei Stunden.

Ab 17 Uhr habe ich frei, bin im Zimmer, dusche und habe ein wenig Zeit für meine Kollegen – es sei denn, ich muss lernen, so wie heute, morgen habe ich eine Franz-Prüfung. Um 18.30 Uhr ist Nachtessen. Von 19 bis 20 Uhr dann das sogenannte «offizielle Studium», da muss man sich nochmals hinsetzen. Heute musste ich für Deutsch eine textgebundene Erörterung schreiben. Es ging um ein Interview mit der Forscherin Cathy O’Neal, die darüber sprach, wie Algorithmen deinen Facebook-Feed steuern und sowas. Dazu mussten wir einen Text verfassen. Deutsch ist nicht so mein Fach, am besten bin ich in Englisch und Mathe.

Von 20 bis 22 Uhr hat man dann nochmals frei. Um 22 Uhr musst du auf dem Zimmer sein, um 22.30 Uhr im Bett. Meistens unterhalte ich mich noch mit Kim, wir sind aber auch viel am Handy. Ich versuche um 23 Uhr zu schlafen.

So sieht mein Tag aus in Engelberg. Nächste Saison schliesse ich die Schule ab.

Protokoll: Mikael Krogerus

Wahrheit No. 2: Futtertrieb

Ursina Haller – Sie nannten mich Anakonda. Kein Kompliment für eine junge Frau, die gerade versucht, ihren Körper für Olympische Spiele zu stählen. Das Tier ist im Querschnitt fast rund, sein Kopf ist auffallend klein, der Teint schimmert immer etwas grünlich.

Ich war erlöst, als Freund_innen mich aufklärten, der Spitzname sei nicht durch mein Äusseres bedingt. Vielmehr ginge es um ein auffälliges Verhalten an einem bestimmten Ort: dem Esstisch. Dort verbrachte ich als Sportlerin viel Zeit. Er war die Destination, die ich morgens nach dem Aufstehen auf direktem Weg ansteuerte. Und danach zwei bis fünf weitere Male aufsuchte: für Anakonda-Portionen Vollkornpasta, Hüttenkäse, Gemüse, Früchte, Proteinshakes, Schokolade.

Wer sich mit mir an den Tisch setzte, musste sich auf etwas gefasst machen. Es zeigte sich, was mit einem passiert, wenn man den Körper im Training täglich an die Grenzen bringt und Tausende Kalorien verbrennt: Kaum auf dem Tisch, erspähte ich die in Töpfen bereitgestellte Beute sekundenschnell und schnappte sie mir. Gnadenlos. Mein Teller war schwer beladen, die anderen mussten sich mit dem Rest begnügen. Das wurde vor allem dann schwierig, wenn Sportler_innen mit mir am Tisch sassen. Wir alle haben einen ausgeprägten Futtertrieb.

Dass dieser nicht der Norm entspricht, wurde mir hingegen bewusst, wenn ich mit Nicht-Sportler_innen speiste. Während meine Freund_innen im Restaurant einen Salatteller bestellten, breitete der Kellner an meinem Platz einen Viergänger aus. Gewissensbisse musste ich keine haben: Ich betrachtete das Mahl als notwendige Karriereinvestition.

Während meiner Zeit als Sportlerin gab es keinen Moment, in dem ich nicht wusste, was ich als nächstes essen würde. Den Nahrungsmittelvorrat in meiner Küche hatte ich immer bis ins letzte Detail im Kopf, ich konnte jedes Joghurt aufzählen, das im Kühlschrank stand. Eine Heimkehr, ohne sicherzustellen, dass alles da ist für ein reichhaltiges Frühstück? Unvorstellbar.

Dabei konnte ich gar nichts für meine Gier. Ich war dazu erzogen worden: Sportler_innen lernen früh, dass das Essen zum Training gehört wie Aufwärmen und Stretching. Trainer_innen halten in Trainingsplänen fest, wann gegessen wird, manchmal ergänzen Ernährungsberater_innen, wie viel Gramm Kohlenhydrate, Fette und Proteine auf den Teller kommen. Vor Olympischen Spielen wurden wir zu medizinischen Briefings zusammengetrommelt, wo man uns erklärte, dass die richtige Verpflegung im Olympischen Dorf über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Ich solle meinen Hunger sofort stillen, lernte ich. Noch besser: Es gar nicht soweit kommen lassen und präventiv essen. Denn Nahrungsmittelentzug begünstigt Infektionen, und wer krank ist, kann keine Spitzenleistung abliefern.

Diesen Tipp nehme ich mir heute noch zu Herzen. Auch nach der Sportkarriere brauche ich ein intaktes Immunsystem, deshalb überwinde ich mich regelmässig zu einem präventiven Schokoladengipfel. Ich will doch nicht, dass man mir beim Abendessen Ähnlichkeiten mit einer Riesenschlange unterstellt!

Nächste Woche schreibt Ursina über Wahrheit No. 3: Selfie-Stress.